Der folgende Artikel erschien auf der Bergsportseite der Dresdner Neueste Nachrichten am 14./15.04.2012:
Eine feucht-fröhliche Erfahrung | |
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Dresdner erklimmen drei Berggipfel am anderen Ende der Welt (Von Anette Thoma) | |
Man stelle sich vor: eine sprichwörtlich grüné Hölle, ein fast senkrechter Hang, nur an einer engen Stelle passierbar, Dickicht, Buschwerk, dazu schlechte Sicht, Kälte und Nebel. Willkommen im Kaltregenwald von Feuerland! Dorthin hat es eine siebenköpfige Bergsteiger-Gruppe aus Sachsen zu einer Expedition verschlagen. Das Ziel: Die Zweitbesteigung des Monte Buckland, der sich inmitten der unwirtlichen und kaum erforschten südamerikanischen Gebirgskette Cordillera Darwin erhebt. „Ich habe so etwas noch nie erlebt. Das ist definitiv eines der nachhaltigsten Erlebnisse der Expedition“, betont Daniel Groß aus Dresden, einer der Bergsteiger. Robert Koschitzki, sein Team-Kollege und ebenfalls Dresdner, pflichtet ihm bei. „Wir haben uns mit Macheten durch den Busch gekämpft. Für fünf Kilometer haben wir fünf Tage gebraucht“, ergänzt er. „Und das mussten wir drei Mal machen, wir hatten an die 500 Kilogramm Gepäck.“ Nach einer Vorbereitungszeit von eineinhalb Jahren begann Mitte Januar die Expedition nach Feuerland. „Die Herausforderung war nicht vorrangig körperlich, sondern eher logistischer und finanzieller Natur“, erklärt Daniel Groß. Insgesamt mussten 25000 Euro in die Expedition gesteckt werden — ein Betrag, den die sieben Teilnehmer niemals alleine hätten aufbringen können. Aus diesem Grund haben die Bergsteiger zu einer Postkarten-Aktion aufgerufen: Jeder, der mindestens sieben Euro spendete, bekam eine Grußpostkarte vom anderen Ende der Welt zugesandt. Besonders aus dem Familien– und Freundeskreis kam auf diesem Wege einiges zusammen, dennoch waren sie auf die Unterstützung von Firmen und auf Sponsoring angewiesen. Fördermittel stellten beispielsweise der Deutsche Alpenverein und die Akademische Sektion Dresden bereit. Die Gipfelbesteigung des Mt. Buckland war eine schwierige Aufgabe für die Bergsteiger. „Die Wetterlage war stabil instabil“, scherzt Daniel Groß. Ständiger Wechsel, Sturm, Eis und Schnee: keine günstigen Voraussetzungen für die Erklimmung eines Gipfels. Nur ein italienisches Team bezwang den Monte Buckland vor ihnen — im Jahr 1966. „Als wir oben angekommen sind, waren wir grundsätzlich erst einmal froh und erleichtert, aber auch enttäuscht“, so Robert Koschitzki. Der Grund: wieder das Wetter. „Wir hatten eine Sicht von ungefähr 15 Metern, dazu Sturm. Nach einer Stunde sind wir wieder abgestiegen. Es war wirklich eine feucht-fröhliche Erfahrung.“ |
Doch auch wenn es im Nachhinein etwas enttäuschend war, sie „haben das geschafft, was wir schaffen wollten“, so Koschitzki. Neben dem Monte Buckland haben sie noch zwei weitere Gipfel bestiegen, beides waren Erstbesteigungen. Daher haben sie den Bergen auch eigene Namen gegeben: Der eine heißt nun Monte Bella Vista (was übersetzt so viel heißt wie „schöner Blick“) mit 825 Metern und der andere Monte Niebla („neblige Sicht“) mit einer Höhe von 1430 Metern. Und jetzt? Die Bergsteiger sind nach fünf Wochen Expedition seit Mitte Februar zurück in der sächsischen Heimat. Ihr Leben nimmt mittlerweile wieder den gewohnten Gang, doch war es für Robert Koschitzki nicht einfach, den Arbeitsalltag wieder einkehren zu lassen. „Die Nachbereitung hat mich damals täglich beschäftigt. Ich hatte zum Beispiel viel zu tun mit der Entwicklung des Bild– und Filmmaterials und mit der Aufarbeitung der letzten fünf Wochen.“ Koschitzki ist ausgebildeter Wirtschaftsingenieur und arbeitet am Institut für Photogrammetrie und Fernerkundung an der TU Dresden. „Die ersten beiden Arbeitstage habe ich verschlafen“, lacht er. Eine neue Expedition hat er noch nicht im Auge. Aber Lust dazu habe er auf alle Fälle. „Vielleicht Pakistan. Aber es ist noch nichts Konkretes geplant“, lächelt er. Bei Daniel Groß sieht es etwas anders aus. Er hat eine vierjährige Tochter und will sich in den nächsten Jahren erst einmal seiner Familie widmen. „Nach fünf Wochen Ausstieg weiß ich, was ich hier schätze. Man lebt von Kontrasten und so eine Expedition motiviert mich dann auch wieder für den Alltag und die Arbeit.“ Aber das Bergsteigen ist für ihn, wie auch für Koschitzki, ein „sehr ausgeprägtes Hobby, schon fast eine Sucht“. Deshalb wird Daniel Groß irgendwann wieder an einer Expedition teilnehmen. Angedacht ist jetzt erst mal ein Filmprojekt über die Historie der gesamten Tour. Dafür müssen allerdings noch Unmengen an Bildern und Filmen ausgewertet und sortiert werden. |