Der folgende Artikel erschien bei der Akademischen Sektion Dresden im Dezember 2012 als Beitrag im Mitteilungsblatt “Fixpunkte”. Desweiteren wurde der Artikel unter folgendem Link veröffentlich: Monte Buckland
Monte Buckland (2012)
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So wenig Spaß, für so viel Geld … Vor ziemlich genau zweieinhalb Jahren wurde ich von zwei Freunden gefragt, ob ich Zeit und Lust hätte, ein wenig über meine letzte Tour auf Feuerland zu erzählen. Schnell war ein freier Abend gefunden und wir trafen uns in einem kleinen Café, erzählten, schwelgten in Erinnerungen und auf einmal wurden die Karten auf den Tisch gelegt. Sie planten eine Tour zum Monte Buckland! Ich wusste zwar, dass ich noch einmal in die Ecke „muss“, aber dass es so schnell gehen würde, hätte ich nicht gedacht. Meine Abers und Ähhs wurden gekonnt überhört und die ersten Aufgaben wurden verteilt. Anscheinend saß ich schon wieder im Boot nach Feuerland – es gibt Schlimmeres. Uns war recht schnell klar, dass wir die Tour nicht zu dritt und ohne materielle oder finanzielle Unterstützung stemmen können. So kam neben der konventionellen Planung erstmals noch die Akquise von Sponsoren und Mitstreitern hinzu, welche ein nicht unerhebliches Zeitbudget neben Studium und Arbeit verschlang. Informationen und Karten zu diesem im Westen der Cordillera Darwin gelegenem Gebiet gibt es quasi nicht und wenn, beschränken sich diese auf ältere Fotografien. Mit jedem Tag bis zu unserem Abflug stieg die Spannung auf unser Abenteuer – endlich konnte man wieder mal den Pioniergeist wecken, den man braucht, wenn man etwas vollkommen Neues, Unbekanntes und „Verrücktes“ in Angriff nimmt. Denn auf was wir uns genau einlassen, wussten wir nicht. Aus beruflichen Gründen konnten wir nicht alle zum gleichen Zeitpunkt starten, so dass die Letzten erst eine Woche später zum bereits vorgereisten Team stießen. Sie hatten sich in der Zwischenzeit schon perfekt auf „Urlaub“ eingestellt und darüber hinaus alle notwendigen Dinge erledigt – es konnte direkt losgehen, quasi vom Flieger ins Auto und gleich weiter aufs Boot – ins Unbekannte. Mit einer herzlichen Umarmung und einem besorgten „¡Mucha suerte!“ verabschiedete sich unsere Bootscrew für die nächsten vier Wochen und ließ uns alleine inmitten eines weißen Flecks auf der nicht vorhandenen Karte. Zeit um darüber nachzudenken hatten wir nicht, die einsetzende Flut drohte unsere Ausrüstung zu wässern. Unser ausgespähtes Basislager in ca. fünf Kilometer wollten wir heute noch erreichen und sofern es möglich war, auch noch eine zweite Gepäcktransporttour anschließen. Unser Plan hatte einen kleinen Fehler, stellte sich der weiße Fleck doch als ein nahezu undurchdringbarer immergrüner Regenwald heraus. An ein rasches Vorankommen war nicht zu denken. Wenigstens schien die Sonne und die Stimmung im Team war gut. Nach Stunden des Umherstolperns, des Balancierens und des Fluchens fanden wir wenigstens einen Platz, wo man ganz brauchbar zelten konnte. Wenige hunderte Meter an einem halben Tag ließen die Besteigung des Monte Buckland in weite Ferne rücken. Wir mussten unsere Taktik ein wenig ändern. Ein Teil der Truppe beschäftigte sich ausschließlich mit dem Materialtransport vom Strand in das Zwischenlager. Später nachdem das Erkundungsteam, ein Basislager eingerichtet hatte, erfolgte der Transport gemeinsam. Nach harten fünf Tagen hatten wir unsere gesamte Ausrüstung an einem idyllisch gelegenen Lagerplatz. Zwei Windschutz bietende Felsriegel, ein glasklarer See und ein wenig Grün versprachen einen angenehmen Aufenthalt. Darüber hinaus war der Platz noch extrem zentral im Hochtal gelegen, so dass alle umliegenden Berge in relativ kurzer Zeit erreichbar sein sollten. Von den Strapazen des Aufstiegs gekennzeichnet, störte uns der einsetzende Dauerregen für die nächsten Tag nicht. Wir hatten alle reichlich Schlaf nachzuholen. Die Wettervorhersage aus Österreich versprach ein Schönwetterfenster und wir hatten Hummeln im Hintern – wir wollten die Gegend erkunden und einen ersten ernsthaften Versuch unternehmen, den Monte Buckland zu besteigen. Wir teilten uns in drei Gruppen – eine Bucklandgruppe, eine weitere, die den Anmarsch an den Monte Garcia erkundet und eine Gruppe, welche versucht an die Märchenbucht, von der die Erstbesteiger aufbrachen, vorzudringen. Keine Tour erreichte ihr Ziel, zu kurz war das gute Wetter oder zu gering die Motivation, sich erneut durch dichteste Vegetation zu kämpfen. Allerdings konnten wichtige Information für weitere Touren gesammelt werden. Die folgenden Tage verstrichen mit Schlafen, Lesen, mit dem Betrachten des ständig fallenden Barometers und mit dem Bau eines komplexen Kanalsystems. Durch den tagelangen Dauerregen sollte dieses unseren bis dato so idyllisch gelegenen Zeltplatz, entwässern. Essenzeiten oder Toilettengänge richteten sich mittlerweile fast ausschließlich nach den kurzen Regenpausen, welche für das Verlassen der Zelte notwendig waren. Man wollte sich die Sachen ja nicht unnötigerweise nass machen. Wer weiß, wann man mal wieder Sonne hat. Nach tagelanger Warterei zeichnete sich eine Trendwende im Luftdruckverlauf ab. Eine im Konjunktiv gefasste gute Wetterprognose bestätigte die Tendenz und versprach wieder eine Möglichkeit – jetzt oder nie, war die Devise für das Gipfelteam. Zu viert brachen sie diesmal zum Hochlager auf. Zwei weitere Personen probierten ihr Glück an einem bis heute unbestiegenen Gipfel und erkundeten einen möglichen Übergang auf die Nordseite der zum Monte Giordano hinüber ziehenden Bergkette. Je später der Tag, desto besser wurde das Wetter. Absolute Windstille, wärmende Sonne und eine traumhafte Fernsicht ließ die vergangenen Schlechtwettertage vergessen. Zum ersten Mal seit unserer Ankunft konnte man den Monte Buckland wolkenfrei einsehen. Ideal, um sich eine mögliche Aufstiegsroute auszusuchen, welche am nächsten Tag in Angriff genommen werden sollte. |
Trotz bestem Wetter verfolgten wir das dreiköpfige Gipfelteam vom Basislager aus. Jeder wollte irgendwie dabei sein, wenn der Gipfel geschafft werden würde. Bei bestem Wetter kämpfte sich die Gruppe die ersten Kletterpassagen hinauf. Nach wenigen Stunden hatte sie bereits ihren letzten Umkehrpunkt erreicht und konnte rasch weitere Höhenmeter bezwingen. Die schwierigste Stelle, ein mehrere hundert Meter langer und weit überhängender Bergschrund wurde am späten Nachmittag überklettert und nur noch wenige Seillängen trennte die Seilschaft vom Gipfel, welcher sich als höchster Punkt auf dem weit überwechteten Gipfelgrat abzeichnete. Zum Zeitpunkt des Gipfelerfolges war das Wetter mittlerweile wieder zum üblichen Grau in Grau übergegangen, so dass auf die ersten Digitalbilder des Panoramas vom Gipfel verzichtet wurde. Auch hielt sich die Freude über den Gipfelsieg noch dezent in Grenzen – der Abstieg wartete noch. Mit einsetzender Dunkelheit verschlechterte sich das Wetter weiter. Schnee und Wind setzen ein und verwischten die Aufstiegsspuren. Erschöpft, durchgefroren aber glücklich den Gipfel bestiegen zu haben, erreichten die Zweitbesteiger nach 19 Stunden das Hochlager. Die technisch schwierigsten Passagen der neuen Route am Berg, lagen hinter ihnen. Der einfachere aber weite Abstieg wartete am nächsten Tag auf sie. Große Tropfen auf der Zeltwand weckten uns am Morgen. Ein kondensierender Atem zeugte von gefallenen Temperaturen. Dank unserer Funkgeräte konnten wir Kontakt mit dem Hochlagerteam aufnehmen – 0 m Sicht und Neuschnee – nicht unkritisch auf der langen Querung des mittleren Gletscherbeckens. An einen Abstieg war zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu denken. Zum Glück konnte man vom Basislager das Wetter für die nächsten Stunden ein wenig besser einsehen – eine kleine Wetterbesserung schien sich am Mittag anzubahnen. Gemeinsam brachen wir auf, um uns entgegenzulaufen. Die Einen hinab und die Anderen hinauf, um das Gipfelteam zu dokumentieren und auch zu unterstützen. Das „gute“ Wetter hielt fast durch, zumindest für den schwierigen Teil reichte es. Im flacheren Bereich schüttete es bei Temperaturen knapp über 0° C. Die nächsten Tage gestalteten sich recht eintönig. Schnee, Regen, Sturm – immer im Wechsel und in einem nahtlosen Übergang schränkten unsere Aktivitäten erheblich ein. Jede Änderung des Luftdruckes wurde frenetisch gefeiert, gab sie doch Hoffnung auf Wetterbesserung. Allerdings galt auf Feuerland die Devise „ein Millibar hinauf, zwei zurück“. Keine guten Aussichten für weitere Gipfel. Nach Tagen des Ausharrens versprach ein sonniger Morgen die Möglichkeit wieder auf Tour zu gehen. Zum Glück waren die Rucksäcke für solche Fälle quasi immer fertig gepackt. Als Ziel wurde ein Gipfel gewählt, welcher markant in der Bergkette über unserem Lager thronte. Auf der Bootsfahrt hatten wir gesehen, das die Nordseite stark vergletschert war, aber weniger abweisend als wie die dem Lager zugewandte felsige Südseite. Bis zu einem kleinen Durchschlupf im Grat war die Route klar, wie der weitere Wegverlauf ist, wussten wir nicht. Die beste Kombination mit dem sich wieder verschlechternden Wetter einen Gipfel neu zu besteigen. Der in den letzten Tagen reichlich gefallene Schnee erschwerte die Besteigung zusätzlich. Hin und wieder rissen die Wolken auf und gaben einen milchigen Blick auf die Magellanstraße frei. Unter uns stürzte der Gletscher kaskadenmässig knapp 1.000m bis auf Meereshöhe hinab. Dichter Nebel erschwerte die Orientierung erheblich. Wir trennten uns. Ein Gipfelteam, welches dem schlechten Wetter trotzte und einem Küchenteam. Der von uns auf Monte Niebla getaufte Gipfel konnte nach neun Stunden bestiegen werden. Der erhoffte Fernblick verflüchtige sich im dichten Nebel. Die letzten Tage vor Ort fielen wieder dem schlechten Wetter zum Opfer. Immer weiter sank die Schneefallgrenze und unser ehemals schöner Lagerplatz war mittlerweile nur noch eine Schlammwüste. Jeder wollte eigentlich wieder zurück, zurück in die Zivilisation und derer Annehmlichkeiten. Aussichten auf weitere Gipfelerfolge waren eher schlecht, zu viel Neuschnee hatte es in den letzten Tagen gegeben. Wir pokerten mit dem Wetter bis zum letztmöglichen Tag, wobei der Gewinner eigentlich schon vorher fest stand, aber vielleicht hätte es ja ein Einsehen mit uns gehabt und zeigt sich von seiner besseren Seite während unseres Abstieges. Aller Hoffnungen zum Trotz zeigte es sich von seiner windigsten und nassesten Seite. Der sonst so harmlos dahin fließende Bach war mittlerweile zum schlüpferstürmenden Fluss angeschwollen und die von den Felswänden tropfenden Rinnsale waren mittlerweile zu girlandenartigen Wasserfälle angewachsen. Zusammen mit dem anhaltenden Landregen und dem starken Wind war man bei Zeiten komplett durchgeweicht und ausgekühlt. Man trabte stoisch den bereits wieder zugewucherten Pfad hinab, auf eine baldige Überfahrt hoffend. Zum vereinbarten Termin hörten wir ein leises Knattern, welches immer lauter wurde. Ein erstes Anzeichen von Zivilisation. Nur noch ein anstrengender und langer Tag trennte uns von einer warmen Dusche, einem leckeren Asado, …. Zusammenfassend kann man sagen, dass es ein besonderes und für alle von uns ein einmaliges Erlebnis war – vier Wochen vollkommen auf sich allein gestellt, in einer quasi unberührten, unerforschten und atemberaubenden Natur. Neben der Zweitbesteigung des Monte Buckland konnten zwei weitere z.T. anspruchsvolle Gipfel bestiegen werden und zahlreiche Gipfel fotographisch dokumentiert werden. Des Weiteren wollen wir uns noch einmal für das seitens der ASD in uns entgegengebrachte Vertrauen, sowie bei allen Sponsoren bedanken. Autor: André Kunert |