The following article was published in Sächsischen Zeitung on 23.03.2012 (in German only):
Beständig unbeständig | |
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Die sächsische Monte-Buckland-Expedition kämpft mit dem Wetter. (Von Maik Schwert) | |
Bescheidene Sicht, durchnässte Klamotten, stocksteif gefrorene Kletterseile: „Wir waren ziemlich ausgepowert und konnten das Gipfelerlebnis nur schwer genießen“, gibt Robert Koschitzki zu. Dennoch ist er glücklich, den Monte Buckland bestiegen zu haben. Die äußeren Umstände machen eine Expedition in die Cordillera Darwin zu etwas Außergewöhnlichem. Dieser Teil des feuerländischen Archipels am Südzipfel des südamerikanischen Kontinentes gehört zu den am wenigsten erforschten und unwirtlichsten Gebirgsketten der Erde. Der Dresdner nennt drei besondere Herausforderungen der Tour: die anspruchsvolle Logistik, die Orientierung in einem weitgehend unbekannten Gelände und das beständig unbeständige Wetter. Die sieben Sachsen finanzierten die etwa 25000 Euro teure Expedition über Eigenmittel, Hilfe des Deutschen Alpenvereins und der Akademischen Sektion Dresden. Sie erwiesen sich als Organisations– und Orientierungstalente. „Allein der Weg zum Basislager war etwas Besonderes. Wir benötigten einen Tag für einen Kilometer.“ Das Team kam lediglich an einer Stelle durch ein enges Tal – an einem schwierigen, fast senkrechten Hang. Es schlug sich mit Macheten durchs Buschwerk und Dickicht. „Zeitweise sahen wir unsere Tour in Gefahr und vom Scheitern bedroht. Das war eine tolle Teamleistung.“ Den Gipfel bezwangen Koschitzki, Markus Kautz und Daniel Groß im zweiten Anlauf. Den ersten Versuch brachen sie aufgrund von Nebel und reichlich Neuschnee frühzeitig ab. Beim zweiten Mal, knapp eine Woche später, erwischten sie fast optimale Bedingungen. Die sahen am Monte Buckland so aus: frühmorgens blauer Himmel, vormittags einzelne Schneegraupelschauer und schließlich ein dichter Wolkenschleier. „Das Wetter am Gipfeltag war wechselhaft wie immer, lediglich nicht so extrem niederschlagsreich und windig wie sonst.“ Dazu kamen klettertechnische Schwierigkeiten: bis zu 65 Grad steile Eisflanken, Felsgrate, eine heikle Querung im weichen Neuschnee sowie ein 20 Meter hoher und Hunderte Meter breiter Bergschrund unter der Gipfelwand. „Über uns ragten große Eiszapfen in einem Überhang. Von oben tropfte es in den Nacken.“ Auf dem Weg nach oben schwanden langsam die Kräfte. Auf dem Gipfel fühlten sich alle ausgekühlt und platt. |
Für den Blick aus 1746 Metern Höhe über dem Meeresspiegel lohnten sich die Strapazen leider nicht: die Sicht bescheiden und trübe, höchstens 20 bis 30 Meter, nichts vom erhofften Bergpanorama über die zahlreichen Fjorde und gletscherbesetzten Gipfel der umliegenden Bergketten. Nach knapp 19Stunden kehrten Koschitzki, Kautz und Groß in ihre Zelte zurück – „froh wie Schneekönige, der Königin Feuerlands auf die Krone gestiegen zu sein. Es ist häufiger der Fall, dass man oben steht und nichts sieht“, erzählt Koschitzki. Er fühlte sich bei einer Expedition 2009 in Patagonien wesentlich näher an seiner Grenze als 2012. Damals dauerte die Gipfeltour auch doppelt so lange, „und wir stiegen auf einer unbekannten Route bei schlechter Sicht ab. Diesmal wussten wir, wo wir lang mussten, aber es war dennoch kein Spaziergang.“ Die drei Sachsen standen als zweite Expedition nach sechs Italienern 1966 auf dem Monte Buckland. Die Erstbesteiger bezwangen ihn auf dem Südwestgrat und die Deutschen über die Nordostwand. Die Sachsen bestiegen sogar noch zwei andere, 825 und 1430 Meter hohe Berge als Erste, tauften sie Monte Bella Vista und Niebla. Letzteres bedeutet Nebel und passte zu den vielen tristen Momenten. Der Dresdner erinnert sich aber auch an lichte Augenblicke, in denen sie freie Sicht nach allen Seiten hatten, aber auf keinem Gipfel standen: „Da konnten wir so weit sehen, wie das Auge reicht – über die Fjorde bis zum Festland. Das sind diese faszinierenden Momente, für die sich das alles lohnt – einfach genial. Wenn das geschieht, dann weiß man, warum man in den Bergen Feuerlands unterwegs ist.“ Er fühlt sich schon länger mit dieser Ecke der Welt verbunden und bleibt ihr vermutlich auch in den nächsten Jahren treu. Der Diplomwirtschaftsingenieur arbeitet als Wissenschaftler an der Technischen Universität Dresden am Institut für Photogrammetrie und Fernerkundung. Sein aktuelles Projekt beschäftigt sich mit Gletscherseeausbrüchen in dieser Gegend. Eine weitere Herausforderung erwartet das Team in der Heimat. Es muss 650 Gigabyte Bild– und Filmmaterial auswerten: 12000 Fotos, darunter die Hälfte Aufnahmen im Zeitraffer, für Beiträge und 1200 Videoschnipsel für ein Filmprojekt – ein abendfüllendes Programm. |