Gip­felsieg!!!

Cre­ated on Wed­nes­day, 01 Feb­ru­ary 2012 Writ­ten by Robert

Ungeachtet der eigent­lichen Nachtruhe, verkün­det der Wecker unmiss­ver­ständ­lich den Start in den neuen Tag und damit den geplanten Gip­felver­such — es ist 4 Uhr mor­gens. Nachdem wir am Vorabend eine gen­iale Sicht auf den wolken­freien Gip­felauf­bau des Buck­lands und die ges­amte Cor­dillera Dar­win mit all ihren riesigen Gletscher­flächen und Gip­feln genießen kon­nten, hat es die Nacht durchgeschneit und gestürmt. Wir haben kaum gesch­lafen und ein Blick aus dem Zelt ver­heißt noch immer kein besseres Wet­ter. Wir dösen eine weit­ere Stunde vor uns hin, bis wir uns entschließen, Nägel mit Köp­fen zu machen. Der über­mit­telte Wet­ter­bericht pro­gnos­tiz­iert einen Tag mit wenig Nieder­sch­lag und mit gerin­gen Windgeschwindigkeiten — in Real­ität wech­seln sich blauer Him­mel, Schnee­graupel und dicke Wolkenschleier ab. Micha hat sich auf­grund seiner gerin­gen alpinen Erfahrung entschlossen, auf einen Gip­felver­such zu ver­zichten und Knox schwankt noch immer, ob das wirk­lich Gip­fel­wet­ter sein soll.

7:40 Uhr steigt Dani in die erste Klet­ter­länge des Tages ein und wird in der 30 m lan­gen, vereisten Rinne von Sonnenschein beg­leitet. Unter uns steigen riesige Wolkenschwaden auf und in der Ferne zeigt sich die Bahía Fit­ton in goldenem Glanz. Der Tag ver­spricht tat­säch­lich doch beste Voraus­set­zun­gen für den Buck­land. Auch Knox ist nun davon überzeugt, sam­melt schnell seine sieben Sachen zusam­men und steigt nun doch als Drit­ter in die Ver­schneidung ein. Der fol­gende Fels­grat, eine heikle Quer­ung in wei­chem Neuschnee und die anschließende Eis­flanke hat­ten Dani und ich bei der ersten Runde schon erkun­det, sodass wir dies­mal bei gutem Wet­ter zügig zum oberen Fels­gen­darm auf­steigen können. Nach einer kur­zen Rast fol­gen wir weiter dem NO-​Grat, umge­hen den imposanten Gletscherbruch und erreichen das Plat­eau unter­halb der Gip­fel­wand gegen 12 Uhr. Diese zeigt sich in bester Laune und war­tet nur darauf zum ersten Mal durch­stie­gen zu wer­den. Bevor wir jedoch unsere Eis­ger­äte in die finale Firn­wand sch­la­gen können, muss der Bergschrund über­wun­den wer­den, der die Schlüs­sellänge der Tour darstellt. Der etwa 20 m hohe Abbruch zieht sich unter der Gip­fel­wand über die ges­amte Breite von ein­i­gen 100 m entlang. Unsere aus­erkorene Rinne führt ziem­lich zen­t­ral durch die Wand, sodass wir entweder den Bergschrund umge­hen und anschließend weit queren oder den Abbruch direkt angre­ifen müssten. Wir entscheiden uns für die Direktvariante.

Als wir uns unter der Eiswand befinden, zeigt sich diese wesent­lich steiler als von Ferne. Um nicht unnötig Zeit für die Altern­at­ive zu ver­lieren, wage ich einen Ver­such. Schon die ersten Meter der ansteigenden Quer­ung weisen sehr schlechte Eis­ver­hält­n­isse auf und immer wieder muss ich mich durch tiefen Schnee wüh­len. Über mir ragen riesige Eisza­p­fen in einem Über­hang, von oben tropft es mir in den Nacken. Bedächtig quere ich weiter nach links. Die Schlüs­sel­stelle bil­det ein über­wöl­btes Eis­band. Wenige Meter trennen mich jetzt noch von der darüber­lie­genden Firn­flanke. Mehr­ere Eis­s­chrauben zweifel­hafter Qual­ität gaukeln zumind­est ein Gefühl von Sich­er­heit vor. Der erste Ver­such auf der oberen Flanke Halt zu finden, scheit­ert — statt festem Firn wühle ich in wei­chem Schnee. Die Arme sind zugelaufen und ich flüchte wieder unter den Über­hang. Beim zweiten Anlauf fin­det das rechte Eis­gerät im Schnee Halt. Lang­sam schwin­det wieder die Kraft und ich zweifle weiter zu klet­tern, weiter über die let­zte schlechte Sicher­ung hinaus. Die Frage kommt auf, mit der sich ein Klet­terer oft aus­ein­ander­set­zen muss: Heute Weichei oder Krupps­tahl? Ich entscheide mich für die Flucht nach vorn und kurz darauf habe ich einen Stand aus Firnanker und Dead­man gebaut und hole Dani und Knox nach. Das die Seillänge im Nachstieg mit den großen Ruck­säcken nicht leichter wer­den würde war klar. Eine halbe Ewigkeit bewegt sich unten gar nichts. Irgend­wann sehe ich Knox verz­weifelt über die Kante schielen, bevor er plötz­lich wieder über­hastet ver­schwin­det. Hatte er sich die let­zten Meter mit T-​bloc am Seil hochgearbeitet, nur um kurz vorm Aus­stieg den Halt zu ver­lieren und 4 m mit Sack und Pack wieder in die Tiefe zu rasseln? Der fol­gende Ver­such ist mit Erfolg gekrönt und auch Dani folgt ohne größere Probleme.

Das Wet­ter hat sich schon seit ein­i­gen Stun­den ver­schlechtert und der Weit­er­weg im oberen Teil der Rinne ist nur zu erahnen. Zum Glück kon­nten wir den Ver­lauf unserer Route am Abend zuvor einge­hend stud­ieren. In der fol­genden Seillänge mit gemäßigter Steigung (55°) kom­men wir gut voran. Lang­sam steilt die Flanke auf (bis 70°) und die Absicher­ung wird schwi­eri­ger. Firnanker lassen sich auf Grund des anstehenden Felses nicht weit genug versen­ken und auch Eis guter Qual­ität ist nur schwer zu finden. Die Zeit drängt, doch so nah am Ziel will keiner mehr umdre­hen. Gegen 18 Uhr befinden wir uns kurz vor dem Aus­stieg aus der Rinne, über uns wehen Wind­fahnen über den Grat. Ab und zu schneit es und lang­sam sind wir gut platt. Wir wer­fen noch­mals einen Riegel ein, geben einen kur­zen Funk­s­pruch ans Basisla­ger und steigen die let­zte Seillänge der Rinne aus. Die Sicht in der Scharte ist bes­cheiden, die Klamot­ten sind durch­nässt und die Seile sind längst stock­steif gefroren. Zumind­est der Wind ist uns milde gesonnen. Wir fol­gen dem Grat in südöst­licher Rich­tung und erreichen den Gip­fel des Monte Buck­land (1746 m) am 29.01. gegen 19:15 Uhr. Ziem­lich aus­ge­powert können wir das Gip­fel­er­leb­nis nur schwer genießen, kreisen unsere Gedanken doch schon um den lan­gen und nicht unprob­lem­at­ischen Abstieg. Die Scharte erreichen wir zügig, schwi­eri­ger gestal­tet sich der Abstieg in die Rinne. Ungesich­ert kommt ein Rück­zug nicht in Frage und das Zurück­lassen von Mater­ial wider­strebt uns gleich­er­maßen. Also suchen wir lange nach festem Eis, um an einer Eis­san­duhr (Abal­akov) abzu­sei­len. Die Sicht reicht keine 30 m und den­noch erreichen wir nach zwei weit­ere Absei­len den Bergschrund. Unsere Spuren sind inzwis­chen zugeschneit und verblasen, sodass wir beim Rück­weg über das obere Gletscher­plat­eau froh sind, unseren Weg per GPS dok­u­mentiert zu haben. Lang­sam hüllt uns die Däm­mer­ung in Dunkel­heit, die Tem­per­at­uren ziehen an und der Abstieg über den Grat erfordert noch­mals volle Konzen­tra­tion. Gegen 1:40 Uhr des Fol­get­ages erreichen wir aus­gebrannt und durchge­froren nach 19 Stun­den die Zelte — froh wie Schneekönige der Königin Feuerland’s auf die Krone gestie­gen zu sein.

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